Ohne Digitalität keine digitale Transformation

Je digitaler Gesellschaft und Wirtschaft werden, desto stärker rückt die Interaktion des Menschen mit der virtuellen Welt in den Fokus. Technische Fragen treten allmählich dahinter zurück. Der Mensch wird vom User zum integralen Teil eines digitalisierten Systems. Aus der Digitalisierung wird Digitalität (Kultur der Digitalität, Felix Stalder, edition suhrkamp, 2016). Der Begriff betont die sozialen und kulturellen Komponenten und Effekte der Digitalisierung.

Der Mensch sieht sich in dieser neuen, digitalen Realität mit großen, teils unüberschaubaren Datenmengen und den unübersichtlichen Kausalketten einer technisch-digital-virtuellen Welt konfrontiert. Das bis dato weitestgehend lineare Erleben in einer organisch-analog-realen Umgebung war fundamental anders. Die Folge dieses radikalen Wandels sind nicht selten Reizüberflutung, ein Gefühl der Verlorenheit oder gar Überforderung.

Was bedeutet das für Unternehmen?

Unternehmen, die heute ihr digitales Geschäftsmodell entwickeln oder schärfen, stehen somit nicht nur vor der Herausforderung technisch einwandfreie und sichere Systeme zur Verfügung zu stellen oder zu implementieren. Sie müssen sich immer mehr auch mit der Frage befassen, wie Kund:innen aber auch ihre Mitarbeiter:innen mit den technischen Systemen und auch der digitalen Entität Unternehmen sinnvoll und nachhaltig kommunizieren und interagieren können.

Ein entscheidender Aspekt der Weiterentwicklung eines digitalen Geschäftsmodells ist somit die Erkenntnis, dass es sich bei der Digitalisierung keinesfalls um einen rein technischen Prozess handelt, sondern, dass die soziale und kulturelle Dimension ebenso berücksichtig werden müssen. Eine erfolgreiche digitale Transformation kann nur gelingen, wenn diese Erkenntnis in die Strategie der Organisation eingeht.

Nach innen bedeutet Digitalität auch, dass zu den vormals hauptsächlich technischen Risiken eine menschliche Dimension hinzukommt: Datenschutz und Informationssicherheit sind nicht mehr nur Probleme fachlich spezialisierter Expert:innen, sondern betreffen nun alle Menschen, die geschäftlich oder privat mit der digitalen Welt interagieren und dabei – teils unwissentlich – Informationen weitergeben. Potentiellen Angreifer:innen Tür und Tor zu öffnen, ist eine reale Gefahr. Das Verhalten von Individuen im Netz wird von der virtuellen Öffentlichkeit schnell und oft auch ungeprüft rezipiert und multipliziert. So können selbst aus unbedarften Fehltritten oder Bagatellen in kürzester Zeit ernstzunehmende Shitstorms und existenzbedrohende Situationen entstehen.

Der Mensch und seine Bedürfnisse und Erwartungen im Mittelpunkt

Technik und die Interaktion mit ihr sollen im Alltagsleben nicht als fremd und störend wahrgenommen werden. Gute analog-digitale Interaktionen sind intuitiv. Kompetenzen im Umgang mit digitalen Systemen sollten nicht in erster Linie systembezogen stattfinden, sondern den Menschen ein natives Verständnis für die analog-digitale Interaktion vermitteln. Im Gegenzug sollten Systeme streng auf User – also den Menschen – hin konzipiert sein und eben nicht voraussetzen, dass sich Menschen über ein vernünftiges Maß hinaus mit ihnen beschäftigen und sich an sie anpassen müssen. Automatisierung und Künstliche Intelligenz sollen Arbeit und Entscheidungen abnehmen oder erleichtern, ohne dass sie den Menschen vor sich hertreiben oder Prozesse weniger nachvollziehbar machen.

Auch auf die Geschäftsbeziehung zu Partner:innen und Kund:innen hat die Digitalität großen Einfluss. In der digitalen Datenflut der virtuellen Welt stellt ist erfolgreiche Kommunikation eine besondere Herausforderung. Ob nun in bestehenden Geschäftsbeziehungen oder im Vertrieb und Marketing, immer gilt es sich von der breiten Masse abzuheben, eine emotionale Bindung herzustellen und dabei die eigene Identität zu wahren. Dienstleistungen und Plattformen müssen zwingend passgenau und nahtlos an den Bedarf der Zielgruppe angepasst werden, wenn sie erfolgreich sein sollen. Und dazu müssen ihre jeweils spezifischen sozialen und kulturellen Voraussetzungen und Erwartungen berücksichtigt werden.

Digitalität ist also nicht nur Konsequenz, sondern eine Kernkomponente von erfolgreicher digitaler Transformation, welche es von vornherein strategisch anzugehen gilt.

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