Zuhören

Nehmen wir ein wiederkehrendes Kundenerlebnis: Jemand bestellt etwas am Telefon (Telefonanschluss, Armaturen, eine Dienstleistung,…) und meint, sich klar ausgedrückt zu haben nach allen Regeln der Kunst. Dann erhält er etwas anderes als das, was er meint bestellt zu haben. Und ruft wieder an. Der Auftrag, der ihm vorgelesen wird, ähnelt nur sehr entfernt dem, was er meint beauftragt zu haben. Woran liegt das? Wir meinen am Zuhören. Und wir meinen damit nicht “schlechtes“ oder „gutes“ Zuhören.

Zuhören ist eine Fähigkeit, die eine Vielzahl von inneren Abläufen voraussetzt, die keiner sieht. Um wirklich zu hören, was ein anderer sagt, müssen wir das Gesagte hören können, ohne dass wir es interpretieren oder bewerten. Das setzt voraus, dass wir uns unserer Interpretation und Bewertung bewusst werden, das heißt auch der Gefühle und eigenen Interessen und Bedürfnisse, die zu Interpretation und Bewertung führen. Wir müssen uns gegebenenfalls Kulturunterschiede bewusst machen.

Allein all das ist nicht immer leicht umzusetzen in der Hektik des Alltags. Viele Callcenter greifen inzwischen auf den Trick zurück, dass Mitarbeiter einen Auftrag so wiederholen, wie sie ihn verstanden haben, und zwar so lange bis der Kunde sagt „ja, das beauftrage ich“. Wenn schon ein scheinbar simpler Auftrag so viel Potential für Missverständnisse beim Zuhören birgt, wie schwierig ist dann die Umsetzung von Zuhören im zwischenmenschlichen (Unternehmens)alltag?

Denn es ist nicht einfach, Interpretation und Bewertung, die eigenen Gefühle und Bedürfnisse, erst einmal beiseite zu lassen, insbesondere wenn man engagiert bei der Sache ist. Und selbst wenn es einem gelingt, nicht den anderen zu unterbrechen, heißt das schon, dass man zugehört hat? In jedem Fall hat man den eigenen inneren Dialog (“ja, aber..“, “ne, aber das torpediert alle meine Projekte“, „typisch XY“, …) gehört, aber den anderen? Also geht es beim Zuhören vor allem auch darum, den inneren Dialog für ein paar Minuten schweigen zu lassen und sich von seinen Gefühlen und Interessen für einen Moment zu distanzieren, um dem anderen Raum zu geben und ihn/sie gelten zu lassen. Das ist schwer. Und man muss es üben.

Aber mit dieser Fähigkeit würden wir nicht nur besser kommunizieren, sondern auch Ressourcen nutzen, die uns kreativer, innovativer und professioneller unsere Umwelt gestalten lassen. Wir könnten Dinge hören, die wir vorher nicht gekannt haben.

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